Gott
                                                   
Ein charakteristischer Zug altkirchlicher Theologie ist die Betonung menschlichen Nicht-Wissens: Gott bleibt ein Geheimnis- unfaßbar, unbegreifbar, unerkennbar. Der menschliche Verstand steht fassungslos vor dem Geheimnis göttlicher Wirklichkeit. Anton Günther oder Joseph Hubert Reinkens hat man als Gnostiker der Romantik bezeichnet, von ihrer tief innerlichen Theologie ist unsere Kirche geprägt worden.
Die Väter des ersten Jahrtausends bestaunen das Geheimnis Gottes:
Kyrill von Jerusalem (+386): „In den göttlichen Dingen ist es ein großes Wissen, das Nicht-Wissen einzugestehen."
Evagrius Ponticus (+um 400): „ Gott ist mit dem Verstand nicht zu fassen, wäre das möglich, dann handelte es sich nicht um Gott."
Johannes von Damaskus (+ um 750): „Das Göttliche ist unendlich und unfaßlich und das Einzige, was an ihm faßlich ist, ist seine Unendlichkeit und Unfaßbarkeit."

Gott
Gott
Dreieinigkeit, über alles Wesenhafte hinaus, mehr als göttlich und mehr als gut: du, die du über alle christliche Gottesweisheit wachest, führe uns nicht nur jenseits von Licht und Dunkel, sondern auch über das Unkennbare hinaus bis nahe an die höchsten Gipfel des mystisch deutenden Wortes, bis dorthin, wo die einfachen, absoluten, unversehrbaren Mysterien des Gotteswissens offenbar werden und wo die Dunkelheit des Schweigens über alles Licht hinaus die Wahrheit erhellt: denn - tatsächlich! - in diesem Schweigen enthüllen sich die Geheimnisse des Dunkels.

O Dunkel des Schweigens! Es wäre nicht genug, von dir zu sagen, dass du vor lauter Finsternis in strahlendstem Licht aufglänzest, nicht genug, von dir zu glauben, dass dein Glanz sich immer gleich bleibe, unstörbar und unzerstörbar, nie zu sehen und nie zu erreichen. Es wäre auch nicht genug, von dir zu sagen, dass du, Dunkelheit des Urgrunds, jenen vollkommenen Geist, der die Augen des Daseins und die Augen des Seins zu schließen vermöchte, mit der Leuchtkraft deiner Fülle bis zum Bersten blendest, und schöner bist als die Schönheit selbst. 

Dies ist mein Gebet. Du aber, mein geliebter Timotheus, lasse nicht davon ab, dich in mystischer Schau zu üben, entsage den Künsten des Verstandes, tue ab von dir, was immer noch den Sinnen oder der Klugheit verhaftet ist, befreie dich vollkommen von allem Sein oder Nichtsein, und erhebe dich, wenn du es kannst, bis zur Höhe des Nichts-mehr-unterscheidens, über das All hinaus, bis dicht an die Schwelle des Verschmelzens mit Dem, der über jedem Wesen und über jedes Wissen ist. 

Denn erst wenn du dich von allem ganz entäußert hast, vornehmlich aber von dir selbst, unaufhaltsam und absolut, und ohne jeden Rest leer bist, erst dann wirst du dich in reinster Ekstase bis zu jenem dunkelsten Strahl erheben können, der aus der Urgottheit vor aller Erschaffung kam, jenseits von aller Welt und jenseits von allem Sein, entblößt auch noch von dem, was jedes und dich selbst erst zum Wesen macht.

Doch gib acht! Dass dich niemand höre, von denen, die nicht eingeweiht sind. Ich will sagen, von jenen Ahnungslosen, die noch irgendwo im Sein haften (oder gar: im Dasein!) - und die sich nicht vorstellen können, dass es über alle Wesen hinaus ein Nichtsmehr-nichtsein geben muss, ein erst Wesenschaffendes, ein Überhaupt, und die sich einbilden, auf den Wegen des Erkennens Dem nahen zu können, der sich die Dunkelheit als Heimat und als Quelle seines Lichts gewählt hat.
„Die göttliche Dunkelheit,  aus: Dionysius Areopagita: Mystische Theologie und andere Schriften, München 1956".


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